Scheitere und lerne (#ifwv)

Wir leben in einer Welt, die geprägt ist von Konkurrenz und Wettstreit. Fehler zu machen oder zu scheitern, wird als Niederlage und Unzulänglichkeit empfunden. Aber, ist das wirklich so? Und, was hat das für Auswirkungen?

So, wie unser derzeitiges System aufgebaut ist, darf man keine Fehler machen, man darf nicht scheitern. Denn das würde oft große Nachteile nach sich ziehen.

Das beginnt bereits in der Schule, wo Fehler und „falsches“ Herangehen an eine Lösung mit Schimpfen, Strafarbeiten und schlechten Noten bestraft wird. Und es geht weiter in Lehre und Beruf, wo Fehler stets negative Konsequenzen nach sich ziehen.

Gleich vorweg: ja, es gibt natürlich Ausnahmen; es gibt Menschen und Gruppen, die diesen Irrtum verstanden haben und anders agieren – doch für den Großteil sind Fehler immer noch etwas, das ausgemerzt und verhindert werden muss. So wie überall wenn Aussagen wie „alle“, „jeder“, „immer“, usw. benutzt werden, liegt stets das Pareto-Prinzip zugrunde!

Auswirkungen des Scheiterns

Was passiert landläufig, wenn man Fehler macht? Man kann damit rechnen, dass sich so etwas nicht positiv auf die Stellung innerhalb der Gruppe (Schule, Arbeitsplatz, Familien, …) auswirken wird. Macht man etwas falsch, wird man zurecht gewiesen, ausgeschimpft und/oder hat mit entsprechenden Konsequenzen zu rechnen.

Wohin aber führt das?

Im Allgemeinen bremst das unsere Art, an neue Herausforderungen heran zu gehen, da wir nicht „straflos“ etwas ausprobieren können, von dem wir nicht zu 100% wissen, dass es funktioniert. Wenn wir das aber wissen, brauchen wir es auch nicht „probieren“, da das Ergebnis ja bereits bekannt ist.

Weiters wird man, wenn man etwas „falsch“ gemacht hat, dazu tendieren, diesen Fehler herunter zu spielen, möglichst aus der Schusslinie zu kommen oder gar versuchen, die Schuld daran anderen in die Schuhe zu schieben. Und das ist keine Übertreibung; das sehen wir tagtäglich in der Politik, der Wirtschaft und allen anderen Bereichen (wenn wir nur die Augen auf machen und es sehen wollen).

Ein Teufelskreis

Durch dieses (antrainierte und vom vorherrschenden System provozierte) Verhalten beeinträchtigen wir nicht nur unsere eigene Psyche negativ (da es unnatürlich ist), sondern bringen auch Unruhe in die Gruppe (unabhängig, um welche Gruppe es sich dabei handelt). Durch den Versuch, unser Scheitern zu kaschieren, abzustreiten oder die Verantwortung dafür abzuschieben, verschärfen wir den „Ärger“ bzw. die Kritik des Anderen und erschaffen eine Teufelskreis, der sich ewig weiter dreht und immer größer wird, je öfter wie dieses „Spiel“ spielen.

Wenn wir versuchen, die Schuld und/oder Verantwortung auf andere zu schieben, verschärft das die Sache noch einmal, da der Beschuldigte ebenso keinesfalls den Anschein erwecken darf/will, dass er einen Fehler gemacht haben könnte. Zusätzlich fühlt er sich dann von uns angegriffen, was die Situation noch schlimmer macht (niemand will angegriffen werden – da setzten dann wieder Abwehrmechanismen ein, die auch nicht schön sind).

Das Ende vom Spiel

Das alles zusammen führt über kurz oder lang zu einer Verschärfung und Zuspitzung der Konkurrenz, des Gegeneinander – und damit gehen unglaubliche Ressourcen verloren (sowohl finanzielle als auch das Potential, das wir hätten). Wir verstricken uns nur all zu oft in dem Hin-und-Her der Schuldzuweisung und -abwehr, was uns komplett den Blick auf die eigentliche Herausforderung verstellt. Statt gemeinsam Lösungen zu suchen und zu finden, geht irrsinnig viel Zeit dabei drauf, die Fehler der Anderen anzuprangern (damit wir selbst besser da stehen) bzw. die eigenen herunter zu spielen oder andere dafür in die Verantwortung zu nehmen (um seinerseits nicht blöd da zu stehen).

Die wirkliche Tragik

Durch die Angst vor den Konsequenzen, die unser Scheitern auslösen könnte (und im aktuellen Zeitgeist mit Sicherheit auslösen wird), werden wir in unserem Forscherdrang, unserer Kreativität und der wertfreien bzw. sorglosen Herangehensweise an die großen und kleinen Herausforderungen des Lebens gebremst. Wenn wir auch nur laut über irgend etwas nachdenken, kann man schon einmal davon ausgehen, dass das entsprechende Reaktionen (in der Regeln keine positiven)) nach sich ziehen wird.

Um das „auszutesten“ kann man sich einfach mal dazu hinreißen lassen, in den „sozialen“ Medien eine These zu formulieren, die vom „Denken der Herde“ abweicht – und dann auf die entsprechende Häme und dummen Kommentare warten.

Alles, was unserem (oft mehr als eingeschränkten) Weltbild widerspricht, wird zunächst einmal abgelehnt. Was übrigens auch zu großen Teilen auf genau dieses Problem zurückzuführen ist; wird unsere eigene Überzeugung nämlich widerlegt oder auch nur angezweifelt, hätten wir ja einen „Fehler“ gemacht, und das darf nicht passieren, weshalb wir uns dann dagegen zur Wehr setzen.
Und das ist dann auch schon die Voraussetzung dafür, dass wir uns nicht wirklich weiter entwickeln können.

Geht das auch anders?

Nun darf man sich fragen, ob das wohl die geeignete Einstellung ist, um die Herausforderungen in Schule, Arbeit, Familie und Gesellschaft zu lösen! Oder der Wettstreit und die Konkurrenz uns auf lange Sicht die Vorteile bringen, die wir erreichen wollen?

Schaffen wir es, diesen Teufelskreis zu durchbrechen und die Weichen neu zu stellen, würden wir (sowohl wir selbst als auch die Gemeinschaft als Ganzes) enorme Vorteile daraus ziehen!

Wir würden damit beginnen, Fehler als das zu sehen, was sie sind: die einzige Möglichkeit, etwas zu lernen!

In der Heuristik nennt sich das „Trial & Error“ (Versuch und Irrtum) – also ein Ausprobieren verschiedener Ansätze und Analysieren des Ergebnisses, bis man so lange ausprobiert hat, bis das erwünschte Ergebnis erreicht ist.

Auch die gesamte wissenschaftliche Forschung basiert grundsätzlich auf diesem Prinzip – anders wären die Fortschritte in der Wissenschaft gar nicht möglich gewesen. Der Großteil der Entdeckungen des gesamten Menschheit fußt auf Zufällen und Irrtümern!

Was haben wir vom Scheitern?

Schaffen wir es, das Dogma des Versagens abzulegen, eröffnen sich uns ungeahnte Möglichkeiten. Es wird der Weg frei, wirkliche Innovation zu entwickeln und Lösungen zu finden, die man vorher nicht für möglich gehalten hätte.

Wir könnten aus unseren Fehlern (und denen anderer) LERNEN!
Statt auf die Schuldigen hinzuhacken, könnten wir ihnen für diesen „Fehler“ danken und uns gemeinsam überlegen, was wir alle daraus lernen können; was wir ändern können und sollten, um solche Fehler in Zukunft zu vermeiden.

Das würde uns ein enormes Potential erschließen, da die Fehler und Irrtümer dann nicht umsonst gemacht worden wären!

Und, es würde sehr viel dazu beitragen, Kooperation und Harmonie in unsere Gesellschaft zu bringen, da wir dann nicht mehr nur die Schuldfrage klären (bei der es zwangsläufig vor allem Verlierer gibt) sondern diese Ressourcen dafür zur Verfügung hätten, Lösungen zu finden und solche Fehler in Zukunft nicht mehr zu machen.
Das ist ja gerade der Sinn vom Lernen!

Das ist ja nichts Neues!

Um erfolgreich zu werden, musst Du Deine Fehlerquote verdoppeln

Thomas J. Watson (IBM-Gründer)

Das sagt schon recht viel aus – und dieser Mann war kein weltfremder Träumer, der keine Ahnung hatte. Er hat immerhin den Weltgrößte IT-Konzern aufgebaut, da darf man schon annehmen, er wusste, wovon er spricht.

Leichter gesagt als getan!

Ja, das ist natürlich die Krux an der Sache; solange unser Umfeld noch im reinen Konkurrenz-Denken verhaftet ist und sich noch nicht wirklich weiterentwickelt hat, häuft man sich zunehmend Probleme auf, wenn man einen neuen Weg geht und/oder versucht, die Weichen neu zu stellen.

Aber dennoch kommen wir nicht drum herum, etwas zu ändern. Keiner will in Krieg, Terror und Chaos versinken – aber wenn WIR nichts ändern, wird es keiner tun!
So unangenehm das auch sein mag, und so unfair es nur all zu oft auch ist.

Es erfordert Mut und Überzeugung, sich gegen den Strom zu stellen. Und man braucht einen starken Rücken, um das Um-sich-Schlagen jener auszuhalten, die sich dadurch bedroht fühlen.

Mögliche Ansätze

Da die Situation nun mal so ist, wie sie ist, könnte man sich zunächst überlegen, WO macht es Sinn und wo ist es (gefahrlos) möglich, diese Thematik anzugehen.

Zunächst bietet hier die eigene Familie ein gutes Umfeld, um sich hier weiterzuentwickeln.

Wenn wir mit unserem Partner und unseren Kindern über diese Dinge sprechen und sie uns allen ins Bewusstsein bringen, befinden wir uns in einem geschützten Rahmen, in dem uns kein „Unheil“ droht, wenn wir Neues ausprobieren. Erst recht nicht, wenn man das vorher bespricht und dann ganz anders reagieren kann, wenn etwas schief läuft.

Außerhalb dieses „geschützten Bereichs“ kann man einen Weg gehen, der die hier angesprochenen Änderungen in die Gesellschaft bringt, ohne sich selbst aber dem Spott und Hohn des Umfeldes auszusetzen.

Bei den anderen beginnen!

Was jetzt mal als totaler Widerspruch klingt (immerhin wissen wir ja, dass Änderung nur von UNS ausgehen kann), darf kurz erklärt werden:

In diesem speziellen Fall kann es sehr hilfreich sein, dann wir die Fehler der Anderen zur Hilfe nehmen, um das Konzept der Kooperation und des aus-Fehlern-lernen zu leben.

Denn nicht nur wir selbst machen Fehler, das passiert natürlich auch anderen. Und im Alltag gibt uns das „Scheitern“ eines Anderen die großartige Gelegenheit, etwas produktives zu tun.

Wenn es also vorkommt, dass jemand einen Fehler gemacht hat, können wir uns dabei bremsen, in den Chor der Anderen einzufallen, und diesen Fehler bzw. seinen Verursacher anzuprangern und bloß zustellen (wodurch man in der Regeln ja nur seine eigene Position stärken möchte). Statt dessen kann man sich dieses Konkurrenz-Verhaltens entledigen und die Sache produktiv angehen. Wir können uns beim „Schuldigen“ für seinen Fehler bedanken(!) und uns darüber freuen, dass wir die einmalige Gelegenheit bekommen haben, etwas dazu zu lernen. Wir können dann ansprechen, dass überall dort, wo gearbeitet wird, auch Fehler passieren; und uns das vor die Wahl stellt, das nur zu kritisieren oder wir die Möglichkeit wahrnehmen, etwas daraus zu lernen.

Laden wir alle Beteiligten dazu ein, den Fehler gemeinsam zu analysieren und zu hinterfragen, was die Ursachen des Fehlers sind. Basierend darauf können wir uns dann gemeinsam überlegen, wie wir die Rahmenbedingungen ändern könnten, um solche Fehler in Zukunft zu vermeiden.

Was soll das bringen?

Einerseits machen wir schon mal nicht mit bei der „Hetze“ (was demjenigen, der den Fehler gemacht hat, schon mal ein wenig entlastet). Weiters tragen wir aktiv dazu bei, dass der Fehler nicht umsonst gemacht wurde und sich in Zukunft vermeiden läßt (was wiederum allen zugute kommt).

Außerdem haben wir demjenigen, der sich gerade in einer ungünstigen Position befindet, unsere Schützenhilfe angeboten und ihn unterstützt – das wird er sich merken und eine positive Erinnerung an uns behalten (was sich ja auch nur positiv auf eine weitere Zusammenarbeit auswirken kann).

Und zu guter letzt schaffen wir damit (langsam aber stetig) auch eine Basis dafür, dass unsere eigenen Fehler zukünftig weniger scharf kritisiert werden und letztlich ebenfalls zu einer Verbesserung der allgemeinen Situation beitragen können.

Der langen Rede kurzer Sinn:

Lassen wir (nach und nach und unseren Möglichkeiten entsprechend) ab vom Konkurrenz-Denken und Abstrafen von Fehlern Anderer! Besinnen wir uns auf die positiven Seiten bzw. die Möglichkeiten, die uns Fehler bieten und nutzen wir sie.

Letztlich lernen wir nur aus Fehlern . und je besser wir das verstehen und auch leben, desto kooperativer und nachsichtiger wird unsere Gesellschaft, und desto mehr und schneller lernen wir und weiterzuentwickeln. Denn das dürfte letztlich der eigentliche Sinn des Lebens sein: zu gedeihen und die jeweils nächste Entwicklungsstufe zu erreichen!